Nein, die beiden Musiker, deren Begegnung bei der Trouble In The East Label Night No. 4 der Berliner PANDA Platforma auf dieser Platte dokumentiert ist, sind weder dem hellen noch dem dunklen Wahnsinn noch einer offenen oder versteckten Arroganz verfallen. Neurotische und arrogante Menschen haben zu allem eine Meinung, aber keine Lieder. Gerhard Gschlößl und Marc Schmolling sind der funktionierende Gegenpol: Ihre Musik resultiert aus der Konversation, aus dem subtilen Hören, aus der gegenseitigen Achtung, aus dem funkensprühenden Ping-Pong-Spiel ihrer Einfälle, die sich in einer Live-Atmosphäre treffen, wie sie inspirierender nicht sein könnte. Ihre Musik braucht keine Kategorisierung, keine Etikettierung – sie ist einfach spaßmachend und wunderbar und wahnsinnig gut.
Die beiden Musiker, seit Jahren in den verschiedensten Besetzungen „on the road“, erweitern im gemeinsamen Konzert das Spiel- und Klangpotenzial ihres Instrumentariums und ihres musikalischen Materials. Die Basis ist im ersten Stück, „Twelve Against Many“, als E.D.O. definiert. Das steht für „Equal Division of the Octave". Gerhard Gschlößl und Marc Schmolling macht es hörbar Spaß, mit ihren Instrumenten in neue Bereiche jenseits der 12er-Teilung zu expandieren. Ihr Motto: Alles ist möglich. Und was nicht möglich scheint, wird möglich gemacht. Beide Musiker senden jede energiegeladene Tonsequenz mit nicht zu übersehenden physischen und physiognomischen Kommentaren direkt zum Partner. Ihre Emotionen bestimmen den Sound. Hier spielen zwei absolute Meister subtiler Klänge, die Geschichten erzählen, persönliche Erlebnisse reflektieren und keinerlei panische Angst haben zu swingen oder zu grooven. Beide sind gleichermaßen von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Jazz inspiriert. Gamorreaner aus dem Starwars-Universum walzertanzend auf der Flucht aus New York, in tautologischer Umkehrung auf der Suche nach dem brandenburgischen Dragonfly-Monster. Die Reiselektüre: der humoristische Roman „Saturnin“ von Zdeněk Jirotka, mittlerweile ein Klassiker der tschechischen Literatur, 1942 erschienen. Madness & Arrogance als imaginärer Soundtrack für einen imaginären Film? Klang und Rhythmus wirken bisweilen zeitversetzt, aber immer gleichberechtigt, Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart werden obsolet. Nichts ist so verrückt, als dass es nicht die Basis einer neuen Normalität generieren könnte.